Isisnoreia
Die Geschichte des Glases
Glas ist so alt wie die Erde selbst. Es ist einer der ältesten Werkstoffe der Menschheitsgeschichte und ein wertvolles Kulturgut.
Natürliches Glas entsteht bei hohen Temperaturen, einem Blitzschlag, beim Einschlag eines Meteoriten und bei der Eruption eines Vulkans.
Obsidian
Die aus der Glut der Vulkane entstandene Glaslava, den Obsidian, nutzten unsere Vorfahren bereits in der Jungsteinzeit und fertigten daraus Pfeil- und Speerspitzen, Schmucksteine und Amulette.
Seit Jahrtausenden üben glänzenden Glaskostbarkeiten eine große Faszination auf die Menschen aus. Sie dienen als Schmuck, als Dekor, als luxuriöser Gebrauchsgegenstand, als Zahlungsmittel und als Handelsware in nahezu allen Kulturen.
Als Schmuck verliehen Sie ihrem Träger gesellschaftlichen Status, zeigten seinen Reichtum, brachten ihm Freude und fungierten in vielen Zeiten und Völkern als religiöse Talsimane und Schutzamulette.
Der Ursprung der Glasherstellung durch den Menschen ist bis heute ungeklärt. Der römische Historiker Plinius der Ältere (23-79 n.Chr.), erzählt eine schöne Legende über die Entstehung des Glases lange, lange vor seiner Zeit:
„Seefahrer und Händler, die Natron auf ihren Schiffen transportierten, landeten an einem phönizischen Strand nahe der Mündung des Flusses Belus. Vergeblich suchten sie dort nach Steinen, um eine Feuerstelle für ihren Kochtopf zu errichten. Also holten sie dafür Natronbrocken von ihren Schiffen und legten diese unter die Feuerstelle in den Sand. Durch die Hitze der Glut verschmolzen die Natronbrocken mit dem Sand des Flussufers und aus der Feuerstelle heraus ergoss sich ein Strom von flüssigem Glas …“
Plinius, Nat.hist.,36, 191
Vielmehr beschreibt Plinius in diesem Abschnitt, dass in Phönizien (Syrien) an den sumpfigen Ufern des Flusses Belus, unweit der Stelle wo dieser ins Meer mündete überlieferter Weise für viele Jahrhunderte Glas hergestellt wurde.
Jungsteinzeit und Bronzezeit
Jungsteinzeit 5000 v. Chr.
Die Entdeckung und die Anwendung von Glas als Glasur, könnte jedoch tatsächlich rein zufällig passiert sein. Kalkhaltiger Sand in einem überhitzten Töpferofen, formte durch das Hinzufügen von natürlichem Soda eine farbige glasartige Schicht auf der Tonware.
Tontöpfe und Vasen dieser Art kennt man aus Mesopotamien datieren auf das Ende des 5. Jht. v. Chr. und in Ägypten in den Beginn des 4. Jht. v. Chr. Zu der Zeit waren es vor allem die phönizische Kaufleute und Seefahrer, die diese Entdeckung im Gebiet um das Mittelmeer verbreiteten.
3500 v. Chr.
Die ersten nachweislich von Menschen gezielt produzierten und geformten Glasobjekte sind kleine grünliche Glasperlen, die man in einem ägyptischen Königsgrab fand, das in die Zeit um 3500 v. Chr. datiert.
Bronzezeit 3000 v. Chr. – 800 v. Chr.
Ab 2000 v. Chr. wurden auch in Europa Glasperlen hergestellt, die sich jedoch in Kunstfertigkeit und Farbenpracht nicht mit den orientalischen Perlen vergleichen ließen.
1800 - 1200 v. Chr.
Glasperlen treten in Mitteleuropa erstmals am Übergang von der Frühen zur Mittleren Bronzezeit (1800 bis 1500 v. Chr.) in Italien auf. Sie verbreiten sich von dort bis nach Skandinavien. Die Perlen waren vorwiegend blau, seltener sind sie blaugrün oder türkis. Zu dieser Zeit findet man auch erste segmentierte Perlen.
1200 - 800 v. Chr.
In der späten Bronzezeit treten die ersten mehrfarbigen Perlen auf. Sie sind meist blau, tonnenförmig und mit weißer Spiralfadenauflage verziert. Bezeichnet werden sie als Pfahlbautonnenperlen oder Pfahlbautönnchen, da sie meist in Seeufersiedlungen, sog. Pfahlbauten (Südwestdeutschland, Schweiz) gefunden wurden.
Pfahlbautönnchen
Replik
Die frühe Produktion von hohlem Glas
1500 v. Chr.
Um 1500 v. Chr. wurde in Ägypten die sog. „Sandkernmethode“ entwickelt, die es ermöglichte hohle kleine Fläschchen und Vasen herzustellen. Als Negativform benutzte man einen tonernen Kern. Diese Form wurde an einem Stab befestigt in die heiße Glasmasse getaucht. Durch ständiges Drehen des Kerns in der Schmelze blieb das Glas an der Form haften. Durch anschließendes Wälzen auf einer Steinplatte wurde die Oberfläche geglättet oder auch mit Ornamenten verziert. Der Sandkern wurde nach dem Abkühlen des Glases herausgekratzt und die hohle Form blieb übrig.
Hohlgläser galten auf Grund der aufwendigen Herstellungsmethode als ausgesprochene Luxusware.
Der vordere Orient, speziell Syrien, Mesopotamien und Ägypten gelten als die führenden Regionen der Glasverarbeitung dieser Zeit. Von Alexandria aus gelangten die Waren in den nächsten Jahrhunderten in den gesamten Mittelmeerraum.
Das älteste sicher zu datierende Gefäß aus Glas ist der „Münchner Kelch“ mit der Namensaufschrift Thutmosis III. (um 1450 v.Chr.) aus dem Grab Thutmosis III.
Kelch mit Namenskartusche des Thutmosis III.
Glas, H. 8,1 cm. Theben Neues Reich, 18. Dyn. um 1450 v. Chr. ÄS 630, Staatliches Museum ägyptischer Kunst München
Eine Glasrezeptur
650 v. Chr.
„Nimm 60 Teile Sand, 180 Teile Asche aus Meerespflanzen,
5 Teile Kreide und Du erhältst Glas“
Das älteste Glasrezept ist in Keilschrift verfasst und stammt aus der Tontafelbibliothek
des assyrischen Königs Ashurbanipal (668-626 v. Chr.). Dieses Rezept hat im Wesentlichen bis heute Gültigkeit.
Die Kelten und ihre
Glasperlen in Mitteleuropa
Eisenzeit 800 (650) v. Chr. – 30 v. Chr.
Die Epoche der Kelten fällt entwicklungsgeschichtlich nach der Eisenzeit und wird in zwei hauptsächliche Kulturstufen unterteilt: die Hallstattzeit (ca. 750 bis 500 v. Chr.) und die Latènezeit (480 v. Chr. – 15 v. Chr.) Beide Namen haben ihren Ursprung in den jeweiligen ersten Fundorten der archäologischen Entdeckungen.
Um 800 v. Chr. taucht neben den bekannten einfarbigen, ringförmigen Perlen in Blautönen die Ringaugenperle auf. Die meisten Perlen dieser Art sind von blauer Grundfarbe mit weißen Ringen. Bei diesen Perlen wurden die Ringe kreisförmig mit feinen Glasfäden aufgelegt und eingeschmolzen.
Die Ringaugenperlen werden mit der Zeit durch Glasperlen mit zickzackförmiger oder wellenförmiger Fadenauflage ersetzt. Die Farbpalette reicht von blau, grün, braun und gelb bis zu schwarz. Je nach Region sind unterschiedliche Farben und Formen beliebt. Dieser Perlentyp ist über die gesamte Eisenzeit hin beliebt und wird am Ende der Hallstattzeit durch einen neuen Typ die Schichtaugenperle ergänzt.
ZICKZACKperlen
Hallstatt D 6./5. Jhd. v. Chr. Dürrnberg bei Hallein
Keltische
Schichtaugenperlen
Replik 4.Jhd. v. Chr. Dürrnberg bei Hallein
Dazu wurde auf die Grundperle schichtweise farblich verschiedenes Glas aufgetupft und mit der Oberfläche verschmolzen. Die meisten dieser Perlen sind gelb mit weiß-blauen Schichtaugen. Doch auch blau-grüne und türkise Perlen mit weiß-blauen Augen wurden gefunden. Zu Beginn der Latènezeit werden die Schichtaugenperlen weiterentwickelt, mit mehreren Augenschichten doppelreihig verziert und zusätzlich mit Noppen geschmückt. Auch das Farbspektrum wird deutlich erweitert.
Um ca. 300 v. Chr. gab es bereits in zahlreichen keltischen Siedlungen eigene Glasproduktionsstätten.
Das letzte Jahrhundert v. Chr. ist in Europa geprägt durch den Niedergang der keltischen Kultur. Die Romanisierung schreitet fort, die Germanen dringen nach Süden vor, die Kelten gehen in den germanischen Stämmen auf und es kommt zu einem sehr deutlichen Rückgang der Perlenmenge und ihrer Vielfalt.
Keltische Schichtaugenperlen
Replik, 4. Jhd. v. Christus, Dürrnberg
Keltische
Schichtaugenperlen
Replik, 4. Jhd. v. Christus, Dürrnberg bei Hallein
Das römische Reich
1. Jh. v. Chr. – 476 n. Chr.
Die Erfindung der Glasmacherpfeife revolutionierte im
1. Jh. v. Chr. die Glasherstellung.
Syrischen Handwerkern aus der Region von Sidon (Babylon) gelang zwischen 27 v.Chr. und 14 n.Chr. dieser entscheidende technische Durchbruch.
Die Glasmacherpfeife bestand aus einem 1 bis 1,5 m langen Eisenrohr, das mit einem Mundstück und einem isolierten Griff versehen war. Mit der Pfeife holte der Glasbläser einen Klumpen flüssiges Glas aus der Schmelze und blies ihn zu einem Hohlkörper auf. Durch das Blasen des Glases mit der Pfeife wurden nun nicht nur einfache, bauchige Gefäße machbar, sondern auch dünnwandige, komplex geformte Gläser.
Durch das Einblasen in Formen ließen sich nun Serienprodukte herstellen. In Formen eingearbeitete Vertiefungen ermöglichten Dekore auf den Oberflächen der Gläser. Zugleich bedeutete der Einsatz der Glasmacherpfeife die Vorstufe für die Herstellung von Flachglas. Das Glas wurde zu zylindrischen Formen aufgeblasen, aufgeschnitten und im noch warmen Zustand auseinandergefaltet und geglättet.Von Syrien aus gelangte diese revolutionäre Fertigungstechnik nach Rom um dort nach allen Regeln der Kunst verfeinert zu werden. Rom wurde zum Zentrum der Glasbläserkunst. Glas wurde zum beliebten Handwerksstoff der römischen Welt.
Römische Amphora
Überfangtechnik aus frühaugusteischer Zeit (5-25 n. Chr.)
By Unknown - Jastrow (2007), CC BY 2.5, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2594026
Es gab bereits aus Ägypten bekannte Murinis, Mosaiken, Mehrschichtglas, neu hinzu kamen Überfanggläser, Schalen mit Goldeinlagen und geschliffene Portraits. Die Glasherstellung wurde handwerklich perfektioniert, und rationalisiert. 40 n. Chr. verlegte man in Pompeji Wandplatten aus Glas und die herrschaftlichen Villen in Herculaneum und Pompeji wurden mit Glasfenstern ausgestattet.
Um 100 n. Chr. gelang in Alexandria erstmals die Schmelze von farblosem Glas. Die Fähigkeit, höhere Temperaturen zu erzielen und die Feuerung besser unter Kontrolle zu halten, förderte die Qualität des Glases.
Zwischen dem 1. und 4. Jahrhundert war die hochentwickelte Glaskunst in allen römischen Provinzen verbreitet.
Die Größe des römischen Reiches trug dazu bei, dass Glasware aus dem östlichen Teil und aus dem westlichen Teil, ihre eigenen Merkmale bekamen. Alexandria blieb das Zentrum des östlichen Teils, in dem vor allem luxuriöse Glaswaren für den Export gemacht wurden. Die weltberühmte Portland Vase und die wunderbaren Diatretgläser sind die schönsten Beispiele dieser Kunst.
Im westlichen Teil des Reiches, entwickelte sich Köln zum Zentrum der Glasproduktion und bleibt es gemeinsam mit Trier bis ins 11. Jh. n. Chr.
Diatretglas
Antikensammlung München, 4. Jh. n. Chr.
Glasperlen hatten in römischer Zeit regional unterschiedliche Bedeutung.
Für die Römer waren sie Handelsware. Sie wurden im römischen Reich direkt für den Export ins freie Germanien produziert.
Von den reichen Römerinnen wurden Glasperlen meist in Kombination mit Goldschmuck getragen. Diese Glasperlen waren klein und einfarbig.
Sie imitierten kostbare Edelsteine, wie Rubin, Smaragd, Saphir und auch Bernstein.
Die germanischen Stämme hingegen hatten eine Vorliebe für bunte, mehrfarbig gemusterte Glasperlenketten, großteils Importware aus dem römischen Reich.
Ab dem Ende des 4. Jh. n. Chr. der Zeit der Völkerwanderungen und dem Untergang des weströmischen Reichs 476 n. Chr. wurden die Techniken von den germanischen Stämmen, den Alamanen und Franken übernommen und weiterentwickelt. Die Muster blieben das gesamte frühe Mittelalter hindurch bis ins 11. Jh. n. Chr. sehr ähnlich.
Gemusterte
Germanische Perlen
Mumienportrait
140 n. Chr., Museum Berlin
REplik frührömische Melonenperlen
Äypten 1. Jh. n. Chr.
Venedig - Murano
13. Jh. n. Chr. – 15. Jh. n. Chr.
In Venedig war die Glasherstellung schon seit Jahrhunderten bekannt. Als nach dem 4. Kreuzzug und dem Fall Konstantinopels 1204 Venedig den byzantinischen Glasmachern als Zufluchtsstätte diente und die orientalischen Techniken mit den venezianischen Techniken verschmolzen nahm die Glasindustrie einen fulminanten Aufschwung.
Die Erfolgs-Geschichte des Muranoglases beginnt 1291, als alle Werkstätten der Glasbläser, zwangsweise nach Murano umgesiedelt wurden. Der Grund dafür waren die zahlreichen Brände, verursacht durch die Glasöfen, die enormen Schäden anrichteten, weil die meisten Bauten in Venedig aus Holz waren. Alte Dokumente und Fundstücke von Ausgrabungen aus dem 9. Jh. n. Chr. Belegen jedoch, dass die Glaserzeugung schon früher auf der Insel Murano ansässig war.Durch diese räumliche Zusammenführung konnte Venedig das durch die Glaskunst auf der ganzen Welt bekannt geworden war, die Produktion besser kontrollieren und das streng gehütete Geheimnis der Glasherstellung bewahren. Im 14. Jahrhundert waren Glasprodukte aus Murano als Luxusartikel in der ganzen Welt bekannt.
Glasperlen, Trinkgeschirr und Vasen wurden bis nach China exportiert. Die Techniken wurden immer mehr verfeinert, ab dem 15. Jahrhundert kam die Spiegelherstellung dazu und ständig wurden neue farbige Glastypen erfunden.
Murano's Glasbläserfamilien gehörten zu den reichsten und angesehensten der venezianischen Republik, aber deren Reichtum hing von der Geheimhaltung der Produktionstechniken ab. So war es den Glasbläsern unter Todesstrafe verboten, die Lagune zu verlassen. Eine Verordnung aus dem Jahr 1454 besagt, dass, wenn es ein Glasbläser von Murano floh, seine Familie ins Gefängnis geworfen wurde.
Vom 15. bis 17. Jahrhundert erreichte die Glasmacherkunst in Murano ihren Höhepunkt. Das Non plus Ultra venezianischer Glasmacherkunst war die Herstellung reinsten Kristallglases, das sich durch einen unnachahmlichen Glanz und absolute Farblosigkeit auszeichnete. Reiner Quarzsand und aus Meerespflanzen gewonnene Pottasche waren die Voraussetzung für das „cristallo“.
Muranoglaskanne Cristallo
www.khm.at/de/object/b85738998b/
Muranoglasgefäße Cristallo
www.khm.at/de/object/43cf61f121/
Trotz aller Versuche Venedigs, die Technik der Glasherstellung geheim zu halten, gelang es Ende des 16. sowie im 17. Jahrhundert Glasbläsern, in die Länder nördlich der Alpen zu emigrieren und dort neue Glashütten zu gründen.
Entscheidend waren die Abwerber aus Frankreich und Böhmen, die mit viel Geld lockten und so verbreiteten sich die Techniken der Glasproduktion im 17. und 18. Jahrhundert auch in diesen Ländern.
Das Ende der venezianischen Republik im Jahr 1797 und ihre Eroberung durch Napoleon besiegelten schließlich den Niedergang von Murano. Erst Mitte des 19. Jahrhunderts wurde durch die Initiative einiger alter Glasbläserfamilien die Tradition der Glasproduktion wieder aufgenommen. Heute gibt es etwa noch 45 produzierende Glasmanufakturen auf der Insel.